Die Qual der Wahl welchen Film man in die Kamera einlegt, bleibt uns im Digitalzeitalter glücklicher erspart, denn eine Digitalkamera zeichnet die Bilder generell mit den drei Farbkanälen Rot, Grün und Blau auf. Die ISO-Einstellung ist variabel, und zur Nachbearbeitung steht uns heute einiges an leistungsfähiger Software zur Verfügung.
Ist die Fotografie damit den nun einfacher geworden? Kann nun jeder ohne Sachkenntnis gute Fotos machen? Ich denke diese beiden Fragen muss man eigentlich mit einem klaren Nein beantworten. Natürlich kann heute jeder mit einer Kompaktkamera oder einem Smartphone ein Motiv anvisieren und den Auslöser drücken und bekommt ein richtig belichtetes und halbwegs scharfes Bild. Aber das ist keine Fotografie, das ist Knipsen, was uns zwar viele Erinnerungen beschert und ganz gewiss auch einen gewissen Informationsgehalt besitzt, aber mit Fotografie im künstlerischen Sinne wohl nur sehr entfernt zu tun hat. Die Masse an mittelmäßigen bis schlechten Bildern flutet das Internet und begräbt zum Teil das Interesse an wirklich guten sehenswerten Bildern.
Hierbei kommt auch das gute ‚alte‘ Schwarzweißbild unter die Räder, dabei bietet sich gerade hier die Chance zur Rückbesinnung auf die wesentlichen Elemente der Fotografie: Licht, Schatten, Formen, Perspektive und Linenführung. Ohne Farben ein Bild zu machen, das trotz seiner Zweidimensionalität in der Lage ist räumliche Tiefe zu erzeugen und den Betrachter zu fesseln, das ist die Fotokunst, die viele Fotografen in früheren Zeiten perfekt verstanden. Den Blick für die Möglichkeiten des Motivs und die Beherrschung der Technik müssen wir erst wieder neu erlernen. Wer die Schwarzweiß-Fotografie sicher beherrscht, wird sich anschließend auch der Farbfotografie viel bewusster nähern.
Nun möchte ich aber auf die Frage eingehen, wie man es denn nun angeht mit der Schwarzweißfotografie. Es gibt grob gesehen zwei Möglichkeiten:
- Man nimmt ein Farbbild wandelt es mit der entsprechenden Software (z.B. Photoshop) in Schwarzweiß um, versucht dabei die Gewichtung der Farben und den Kontrast zu optimieren und fertig ist das Schwarzweißbild. Diese Methode habe ich bei den anfänglichen Bildern dieses Blogs angewandt und werde es sicher noch öfter tun, wenn ich den Eindruck habe, dass das eine oder andere Bild das Zeug zum guten Schwarzweißbild besitzt.
- Die eigentlich richtige Vorgehensweise ist natürlich, von vorne herein Schwarzweiß zu fotografieren, weil man dann am Kameradisplay einen ersten Eindruck erhält, ob das spätere Bild überhaupt die gewünschte Wirkung erreichen kann. Nun besteht Schwarzweißfotografie nicht nur aus Kameraeinstellung und Auslösung, denn ohne einen feinfühligen Bearbeitungsprozess gibt es zunächst mal nur farblose Bilder, deren Betrachtung eher ermüdend und langweilig ist, wird eine Schwarzweißbild eben nur ein Bild dem die Farbe fehlt. Diese künstlerische Nachbearbeitung beherrscht keine am Markt erhältliche Kamera, und deshalb ist es wichtig, vom Shooting so umfangreiches Rohmaterial wie nur möglich mitzubringen. Wer also heute bewusst Schwarzweiß fotografieren will, stellt seine Kamera so ein dass sie gleichzeitig eine RAW-Datei (Rohdaten) erzeugt, die natürlich in Farbe ist sowie zur Gestaltung am Display und zur ersten Erfolgskontrolle eine JPG-Datei in Schwarzweiß. Das eigentliche Schwarzweißbild wird dann z.B. in Photoshop Lightroom aus der RAW-Datei erzeugt.
Damit sind wir wieder an einem Punkt angelangt, in den beide Herangehensweisen wieder vereint sind. Bei der „Entwicklung“ der RAW-Datei kann man zunächst einfach auf Schwarzweiß umschalten, dann gibt es die Möglichkeit verschiedene Farbbereiche heller oder dunkler darzustellen, die Anpassung der Gesamthelligkeit und des Kontrastes sind weitere Schritte, die folgen. In Photoshop CS gibt es zwei Tools zur Erstellung von Schwarzweißbildern, derer man sich auch bedienen kann, vor allem wenn ausschließlich ein farbiges JPG vorliegt: Der Kanalmixer oder das Schwarzweißwerkzeug. Im Schwarzweißwerkzeug werden einige Filtersimulationen angeboten, deren man sich bei der analogen Schwarzweißfotografie gerne bedient hatte, wie z.B. Gelb-, Rot- und Grünfilter.
Es gibt also viele Wege zum guten Schwarzweißbild, und es hindert uns niemand daran, alle dieses Wege je nach Situation zu gehen.
An dieser Stelle möchte ich auf meinen Artikel Von der RAW-Datei zum Schwarzweißbild hinweisen. Hier sind beispielhaft die Bearbeitungsschritte von den Kamera-Rohdaten bis hin zum fertigen Schwarzweißbild mit den entsprechenden Bildern beschrieben.
Zum Schluss möchte ich noch diesen Gedanken anfügen: Auch wenn es hervorragende Fotografen gibt, die sich ausschließlich auf Schwarzweiß konzentrieren, so sollte man die Frage, ob Farbe oder Schwarzweiß, nicht zum Dogma machen. In der Kunst ist letztendlich alles Geschmacksache, und was für den einen hohe Kunst ist, mag vielen anderen vielleicht überhaupt nicht gefallen. Wichtig ist, dass jeder der fotografiert seinen persönlichen Stil findet und sich darin weiterentwickelt. Um das zu honorieren, sollte man beim Betrachten eines Bildes ruhig mal versuchen sich in die Sichtweise eines Fotografen hinein zu denken, auch wenn ein vorliegendes Bild nicht immer den eigenen Vorstellungen entspricht. Kunst braucht Freiheit und Toleranz, dann kann sie sich auch entwickeln.
In diesem Sinne: Gut Licht!
Georg Dahlhoff
Hallo Georg,
da ich mich gerade wieder auf die RAW Fotografie einlasse, werde ich dem Link zu deinem Artikel gerne folgen.
LG – Elke